Mein Spinnennetz im Kopf
- Nicole
- 25. Mai
- 4 Min. Lesezeit
Kennst du den Song "Lola Montez" von Volbeat?
Darum geht es um die schöne Lola, die Männer in ihr Spinnennetz lockt und genau um das Thema geht es in meiner heutigen Feder: um die verdammte Klebrigkeit von Spinnennetzen.
Eigentlich ist das Lied "Lola Montez" ein Gute-Laune-Garant für mich, was wohl der Grund ist, warum ich gestern angefangen habe, das Lied immer wieder auf Dauerschleife zu hören. Das tu ich gerade auch, aber ich habe festgestellt, dass es mir diesmal keine gute Laune verschaffen kann. Was es allerdings kann - und deshalb höre ich es trotzdem: es übertönt die Lautstärke meines eigenen Kopfes.
Kennst du das? Wenn du so wahnsinnig viele Gedanken, To-do's, Möglichkeiten, Selbstzweifel, Dinge, die du beachten musst, Ideen, und was weiß ich was noch alles für laute Dinge in deinem Kopf hast, dass du einfach nicht mehr weißt, wo du hinhören sollst? Diese Gedanken in dir sind die Spinne, die ihr Spinnennetz in deinem Kopf spinnt (das war ziemlich viel "Spinne" in einem Satz, sorry) und du verfängst dich hoffnungslos in diesem Netz. Und kannst dich nicht mehr bewegen und dich nicht daraus befreien, während die Spinne - die Gedanken - unaufhörlich näher kommt und größer vor dir wird und droht, dich komplett zu verschlucken.
Das ist scheiße. Und zwar so richtig.
Es ist viel los in letzter Zeit und der Lärm in meinem Kopf ist immer lauter geworden, daher entschuldige: meine neue Feder kommt spät, obwohl ich gerade erst angefangen hab. Aber meine Gedankenspinne hat mir viel, viel Kraft gekostet.
Dabei sind Spinnen sehr talentierte und pfiffige Tierchen, die ihr Netz mit Struktur und Ordnung bauen - und mit einem Ziel. Nämlich, zu überleben. Ich denke, das ist eine sehr schöne und zutreffende Metapher - arachnophobe Menschen mögen mir hier bitte verzeihen ^^'
Eigentlich hat das Netz seine Ordnung - die Perspektive ist das Problem. Wie willst du denn IM Netz sehen, dass es regelmäßige Streben und Ecken und Kanten hat? Du schaust um dich und alles, was du siehst, ist ein Wust aus klebrigen Fäden und diese scheiß Spinne. Du bist erfüllt von Hektik und dem Willen, loszukommen. Du strampelst und windest dich und willst das alles einfach nicht, aber alles, was das bringt ist, dass du dich nur noch mehr verhedderst.
Was passiert stattdessen, wenn du merkst, dass du dich verfangen hast - aber ruhig bleibst? Du wartest auf einen Windstoß, der dich aus dem Netz befreit - und dieser Windstoß, das ist das Ventil, das wir alle brauchen, wenn alles zu viel wird. Ich glaube, es macht absolut Sinn, sich ein Repertoire an Ventilen anzuschaffen. Bei mir ist das manchmal laute Musik und schreiben. An sich meditiere ich gerne - nur, wenn ich allzu verheddert bin, wie es diesmal war, hilft mir das nicht. Dann finde ich keine Ruhe, es ist eher wie ein Megafon, das ich der Spinne gebe. Und wenn das passiert, wird es kritisch, weil ich dann überhaupt nichts mehr gebacken kriege und die Selbstzweifel ein unerträglich starkes Maß annehmen.
Gestern war es viel, viel zu laut, ich habs nicht mehr ertragen. Und weil Ohren zuhalten nichts bringt habe ich metaphorisch gesehen aufgehört, zu strampeln und endlich den rettenden Windstoß genutzt. Aber nur, weil ich zu müde und erschöpft geworden bin, weiterzuzappeln und zu kämpfen. Nicht, weil ich alles so toll im Griff habe - ich hatte gar nichts mehr im Griff. Mein Windstoß war in diesem Fall, dass ich meine Tastatur als Boxsack verwendet habe und einfach den größten Scheiß in meinem Kopf in sichtbaren Text umgewandelt habe. Das hat 30 Minuten gedauert. 30 Minuten. Haben wochenlang anschwellenden Lärm vertrieben. Und danach war ich - endlich! - raus aus dem Netz und ich hab geheult vor Erleichterung, weil es endlich ruhig war. Ich hab alles nochmal durchgelesen und plötzlich konnte ich sie sehen - die Struktur im Netz und das Talent der Gedankenspinne.
Wenn auch deine Gedankenspinne dich in ihrem Netz gefangen hat, dann bitte - versuche früher als ich lockerzulassen und den rettenden Windstoß wahrzunehmen. Hör auf zu strampeln und versuche, dich daran zu erinnern, wie ein Spinnennetz in Wirklichkeit aussieht: strukturiert, ordentlich, in der Sonne glitzern die Tropfen des Morgentaus daran. Eigentlich ist es wunderschön. Und absolut intelligent.
So bedrohlich und kräftezehrend das alles gerade auch auf dich wirkt - es hat einen guten Grund, dass dir das gerade passiert. Es ist dringend Zeit, ausschließlich an dich zu denken und alles zu tun, womit es ruhiger in deinem Kopf ist (wenn es legal ist - ich stifte dich hier nicht zu was illegalem an ^^'). Es wird wieder ruhiger, versprochen. Atme durch, entspanne dich und nutze den nächsten Windstoß, um dich zu befreien.
Das hier ist mein bislang intimster Beitrag, finde ich und es kostet mich etwas Überwindung, ihn zu veröffentlichen. Ich frag mich, wieviele von euch sich denken, was für einen Scheiß ich hier eigentlich schreibe aber es ist gerade ein sehr wichtiges Thema für mich. Und eines, das immer wieder aufkommt. Immer wieder fang ich an, zu strampeln und jetzt habe ich endlich etwas gefunden, das für mich funktioniert. Ich will dir mit diesem Beitrag Mut machen, dein Ventil zu suchen und zu finden. Am besten schon, bevor es so akut wird, dass du es fast nicht mehr aushältst. Ich bin mir sicher, dass ich damit nicht alleine sein kann. Daher hoffe ich, dass dir meine Geschichte zu meiner Gedankenspinne Lola (aha, jetzt hab ich einen Namen für sie, ähnlich wie bei Mayor Pain ;) ) hilft, wenn es dir manchmal oder auch gerade akut genauso geht.
Und wenn du dich dann befreit hast, dann breite deine Flügel aus (wenn du in nem Spinnennetz gefangen bist, bist du irgendwas, das fliegen kann, vergiss das nicht ;) ) und fliege weiter.
Einen guten, ruhigen Flug wünscht dir
deine Nicole
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